Ohlala, ein Ort, an dem sich Geheimnisse entfalten

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Buchstützen

Wie lange hat sie schon diese Verabredungen mit dem Professor, überlegt Lu, als sie die Jahre an ihren Fingern abzählt. Ihre Haut ist immer noch zart, auch wenn sie erkennt, dass die Tage vergehen, ebenso wie ihre Jugendlichkeit. Dennoch bestellt der Professor sie bei seinen regelmäßigen Konferenzen anschließend ins Hotel, um sie zu beobachten, wie sich nackt auf dem Bett rekelt. Genau wie heute, während sie sich vor dem Badezimmerspiegel ihrer 2-Raumwohnung zurechtmacht und ihr ein leichtes Lächeln über die Lippen gleitet. Anfänglich fand sie es merkwürdig, dass der Professor ihr 500€ für einen Abend gab, an dem sie nichts anderes tun würde, als sich selbst zu berühren und er sich dabei seine Notizen machte. Aufmerksam saß er auf dem samtenen Barocksessel unter einer kleinen Lampe. Dabei wirkte er wie ein Detektiv, der sich jede Handlung merken wollte.

Manchmal erzählte er von Tokio und Paris und seinen zwei Mätressen, die er genau wie Lu immer wieder buchte, wenn er in der Stadt war, um ihnen beim Masturbieren zuzusehen und wie er dabei seine Beobachtungen zu Papier brachte. Was er sich aufschrieb, blieb ihr bisher jedoch verwehrt. Nur zu gern wüsste sie, was bei seinen Analysen herauskam; die Vielfalt der Masturbation von Frauen aus unterschiedlichen Ländern. Lu kam sich wie ein Forschungsprojekt vor und das gefiel ihr. Ob sie ihre Art der Selbstliebe über die Jahre verändert hat, konnte sie allerdings nicht sagen, sie war neugierig und wollte versuchen einen Blick in seine Notizen zu erhaschen. Er ließ das Buch immer auf dem Beistelltisch liegen und vertraute auf ihr stilles Einverständnis, dem Pakt, der einer Beziehung gleichkam. Sie bekam das Geld, er ihre tiefsten Sehnsüchte. Sie würden sich dann wiedersehen, beim nächsten Mal und alles würde genauso geschehen.

Er hatte einen Koffer mit einer Vielfalt an Spielzeugen dabei, den er ihr zur Verfügung stellte. Lu suchte sich immer dasselbe aus. Es war ein klitoraler Stimulator, nicht mehr und nicht weniger. Sie lag nackt auf dem Bett, spreizte ihre Beine und fing an mit kreisenden Bewegungen ihre Vulva zu bearbeiten. Sie benutzte dabei stets die stärkste Stufe und veränderte lediglich den Druck. Der Professor machte seine Aufzeichnungen. Ihr gefiel das Geräusch des Bleistifts, wie er über die Seiten rollte, anscheinend hatte sie viel zu erzählen. Es gefiel ihr auch, wie der Professor unter seiner Brille ab und zu ihr schaute und dabei ihre Erregung wahrnahm. Es gab Nächte, an denen Lu mehrere Orgasmen nacheinander bekam, wenn der Professor es verlangte, dann gab es keine Pausen. Manchmal fragte er sie, an was sie dabei dachte. Durch die permanente Stimulation verlor Lu ihre Kontrolle und wünschte sich nichts mehr, als dass der Professor sie berühren würde. Sie wünschte sich, dass er  mit seinen Fingern in ihre Scheide und in ihren Anus eindrang, während sie weiterhin ihre Klitoris mit dem Vibrator massierte. Dann hob sie ihr Geschlecht hoch in die Luft, um ihre Begierde zu zeigen, und das Verlangen der doppelten Penetration immer größer wurde. Sie spreizte ihre Pobacken auseinander und schob sich langsam ihren Zeigefinger hinein, in Gedanken an den Professor, der wie immer auf dem Sessel saß und diszipliniert seine Notizen machte. Wieder dachte sie daran, was ihm dabei wohl auffiel, welche Merkmale sie von den anderen Frauen unterscheidet, und wie gern sie wissen würde, was in seinem geheimen Buch steht.

Voller Vorfreude streift Lu ihr Kleid im Fahrstuhl zurecht und besinnt sich all den Tagen in all den Jahren, in denen sie genau dieselben Handbewegungen machte, bevor sie an seiner Hoteltür klopfte. Sie hat ihn vermisst und freut sich auf eine Nacht voller Höhepunkte. Sie weiß nicht viel über den Professor, dessen  Gelassenheit wie ein unergründbares Rätsel erschien. Seine Geschichten über die zwei anderen Frauen ließen ihre Gedanken kreisen und gaben ihr eine Vorstellung von Zugehörigkeit. Wenn er über sie redete, empfand sie eine große Freude, wie eine romantische Beziehung, die er zu jeder gleichermaßen aufgebaut hat, und keine von ihnen ist weniger begehrenswert. Lu bemerkte bereits nach ihrer dritten Begegnung eine starke Hingabe, während sie sich vor ihm entblößte, sie konnte ihre Zuneigung nicht länger leugnen.

Er öffnet ihr die Tür. Der Professor wirkt besonnen, seine Zeit ist scheinbar stehen geblieben. Er streift über ihre Wangen, küsst ihr die Stirn, verweilt mit seinem Blick für einen Moment in ihren Augen und gibt mit seinem Lächeln zu verstehen, wie wichtig sie für ihn ist. Er nimmt ihr den Mantel ab und setzt sich auf seinen Sessel. Er schlägt die Beine übereinander, schiebt sich die Brille übers Gesicht, dann wartet er geduldig darauf, wie Lu sich ihren Kleidern entledigt, den offen Koffer schließt, vom Bett nimmt, ihre Beine spreizt, um mit ihrem Lieblingsspielzeug ihr Geschlecht zu stimulieren. Er ist der stille Beobachter und Zeuge eines einmaligen Erlebnisses, das auch wenn er es schon tausend Mal genau auf dieselbe Weise beobachtet hat, immer wieder zu neuen Erkenntnissen führt. Der Bleistift rollt schnell von einer Seite zur anderen, manchmal bleibt er stehen und pausiert, dann wenn der Professor seiner Neugier anstatt dem Geschriebenen folgt, und Lu in ihrer Schönheit gebannt Aufmerksamkeit widmet. »Was denkst du gerade?«, fragt er, als Lu ihre Augen schließt und sich lüstern die Lippen benetzt. »Ich wünsche mir, dass du zu mir kommst Professor. Du hast mich nie berührt, das ist das Einzige, was ich mir wünsche und meine Gedanken jeher beherrscht.«, »Dann öffne deine Augen und schau zu mir!«, fügt der Professor hinzu. Lu erwidert stillschweigend. Sie schaut ihn an, während sie ihre Beine weiter spreizt und mit dem Vibrator ihre Klitoris massiert. Sie genießt seine Blicke rund um ihr Geschlecht, sie genießt, wie er seine Notizen fortführt; entschlossen, einfühlsam.

Nachdem er Lu an diesem Abend mehrere Orgasmen beschert hat und sich beide zutiefst befriedigt in ihren Augen verlieren, klappt er das Buch zu und geht ins Badezimmer. Lu nutzt die Gelegenheit und hüpft schnurstracks vom Bett. Das ist der Moment, in dem sich ihre Wahrheiten offenbaren werden. Nackt blättert sie im Dunst des Lampenlichtes in seinen Aufzeichnungen. Ihr Gesichtsausdruck verändert sich. In dem Buch steht weder etwas von der Art, wie sie sich selbst befriedigt noch von den zwei anderen Frauen. Er hat ein Gedicht geschrieben. Ein Gedicht, welches mit der letzten Seite, hier, endet. Es geht um Buchstützen, die er gefunden hat. Freunde, Beziehungen, etwas dass manchmal so unglaublich schwer zu halten und dennoch magisch ist, wenn man Seelenverbindungen fühlen kann. Lu findet Skizzen, wie sie auf dem Rand des Bettes sitzt, in dem seidenen Kleid, es ist dasselbe Kleid, das sie heute trägt, in unterschiedlichen Zeitabschnitten. Er hat jede Falte, jedes Lächeln und jeden Ausdruck in ihrem Gesicht genauso aufgenommen, wie sie sich fühlt, immer, wenn sie bei ihm ist.

»Old friends
Memory brushes the same years
Silently sharing the same fear
A time it was, and what a time it was, it was
A time of innocence
A time of confidences«